Freitag, 19. Juli 2013

Das kann sich ja keiner leisten


Diese Klage werde Sie als Selbständiger oft hören, wenn Sie jemand nach Ihren Preisen fragt. Aber ich kann Sie  beruhigen:  Sie müssen kein schlechtes Gewissen haben. Wenn Sie ein hochwertiges Produkt verkaufen, das seinen Preis wert ist, dürfen Sie den auch verlangen.

Beim Auto sieht es jeder ein: Ein Twingo von Renault ist nicht dasselbe wie ein Porsche und deshalb haben
sie auch unterschiedlich Preise. Auf den ersten Blick sieht man den Unterschied vielleicht nicht:
Beide haben 4 Räder, 1 Lenkrad, 1 Motor und dienen der Fortbewegung. Die Optik ist vielleicht nicht so wichtig, aber das weitere Innenleben, der Komfort und vieles mehr rechtfertigen unterschiedliche Preise.

Genauso ist es mit Dienstleistungen und Handwerkerleistungen und beim Verkauf hochwertiger Ware.
Wenn Sie gute Leistung  oder Ware liefern, pünktlich und zuverlässig sind, hat das einen höheren Preis verdient.
Ein Kleinunternehmer beklagte sich mal bei  mir, dass er nicht verstehe, warum er so wenig Aufträge hätte, obwohl er doch relativ wenig koste, es wäre keine zusätzliche Mehrwertsteuer fällig, weil er von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch mache und trotzdem erreiche er nicht einmal diesen Umsatz.

Wer ihn persönlich kennt, weiß warum. Ein lieber netter Mensch, aber unzuverlässig. Wenn ich mir als Kunde einen Tag Urlaub nehme, weil wir einen Termin z.B. zum Fliesen legen vereinbart haben und der Fliesenleger kommt nicht vor 10°° und geht wieder um 15°°, auch wenn er noch nicht fertig ist, mit dem Hinweis, er hätte noch einen weiteren Termin und komme morgen oder vielleicht übermorgen wieder, bin ich verärgert, weil mit meiner Zeit so abfällig umgegangen wird. Ich muss weitere Urlaubstage nehmen, damit das Werk fertig wird. Wenn ich Glück habe kommt er dann schon am nächsten Tag um 16°° und arbeitet dann bis 22°°, weil er fertig werden will. Es ist ihm egal, dass ich morgen um 5°° aufstehen muss.

Wenn ich die Alternative habe, dass es nur 1 Tag dauert und der Fliesenleger kommt morgens um 7°° und geht, wenn er fertig ist, darf die Stunde gern teurer sein, weil auch meine Zeit etwas wert ist.

Ein weiteres Beispiel sind die "Happy Hours" in einer unserer Bäckereien:

Ab 16°° gibt es alles zum halben Preis. Was ursprünglich dafür gedacht war, übriggebliebene Brot- und Backwaren zum Tagesende schnell loszuwerden, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem außerordentlichen Schauspiel:
Ich kam kurz vor 16°° in den Laden, der rappelvoll war, hinter der Bedienungstheke standen vier Verkäuferinnen. Es war totenstill und niemand bewegte sich, bis die Chefin sagte: "Jetzt ist es 16°° Uhr" Dann ging das Hauen und Stechen los. Die Regale und Körbe waren frisch befüllt und die Leute stritten sich, wer was zuerst geordert hatte. Wer weiter hinten in der Schlange stand, moserte, dass es dies und das schon nicht mehr gibt.
Hier ist etwas ganz schief gelaufen. Für die "Happy Hours" wird frisch gebacken! Wie soll da dem Kunden noch vermittelt werden, warum die frische Breze am Vormittag 60 Cent und nachmittags nur 30 Cent kostet? Die Kunden fühlen sich am Vormittag "abgezockt".

Praktiker hat jetzt vorgemacht, wie es nicht funktioniert:  Nur mit Preisnachlässen und Rabatten geht eine Firma zugrunde.
Die Strategie war, durch einen generellen Rabatt von 20% auf alles den Umsatz anzukurbeln. Dieses Ziel wurde erreicht, allerdings verringerten sich dadurch die Deckungsbeiträge mit denen die Fixkosten abgedeckt werden müssen.

Wenn eine Firma ausschließlich Verluste macht, kommt es unweigerlich irgendwann zur Insolvenz.
Das Unternehmen hat durch dieses Verhalten nicht nur sich selbst geschadet, sondern auch den Mitbewerbern, indem es die Preise verdorben hat.

Wenn ein Unternehmen mit dem Preis immer unter den anderen Bewerbern bleibt, ohne irgendwelche andere Wettbewerbsvorteile nutzen zu können (z.B. günstigere Einkaufsbedingungen), kann es irgendwann nicht mehr den höheren (angemessenen) Preis durchsetzen, weil sich beim Kunden festsetzt, dass er das Produkt auch billiger haben könnte und dass er bei einem Normalpreis abgezockt wird.


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